Inzwischen hatten wir auch das Haus inspiziert. Claus-Dieter hatte einen alten
Kanonenofen entdeckt. Da es nicht besonders warm war, verspürte er den
Wunsch, diesen in Betrieb zu setzen. Kurze Zeit darauf zogen dicke Rauchschwaden
durchs ganze Haus, akuter Sauerstoffmangel machte sich breit. Fachmännisch
suchte er den Fehler, zerlegte den halben Ofen, sah bald aus wie ein Schornsteinfeger
und fand heraus, daß der Ofen nur noch als Attrappe den Raum zierte. In
der Zwischenzeit hatte ich den Heizungshauptschalter gefunden, ihn kurzerhand
umgelegt und wohlige Wärme gemischt mit Qualmgestank, breitete sich im
Haus aus. Claus-Dieter kam an diesem ersten Abend nicht umhin, eine gehörige
Portion Spott ertragen zu müssen. Ja, ja, wenn ein Ingenieur schon mal
an die Arbeit geht!
Der nächste Morgen begrüßte uns mit strahlend blauen Himmel
und Sonnenschein. Nach einem gemeinsamen Frühstück machten sich
Michael und Reinhard auf den Weg, um die nähere Umgebung zu erkunden. |
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Im nahegelegenen kleinen Ort Runavik fanden sie einen kleinen Supermarkt, eine
Bäckerei, die Post, und, oh Wunder, einen Schnellimbiß. In der Gewißheit,
daß nun auch für das leibliche Wohl gesorgt war, stockten sie die Lebensmittelvorräte
auf und schauten sich noch den kleinen Fischereihafen an. Da sie wußten,
daß wir anderen an den Stationen saßen, ließen sie sich viel
Zeit und genossen ganz einfach den dortigen Aufenthalt. Zurück im Haus berichteten
sie von den Entdeckungen und füllten den Kühlschrank mit den eingekauften
Lebensmitteln auf. Danach machten sie sich, nunmehr verstärkt durch Jörg,
wieder auf: es galt, einen geeigneten UKW-Standort zu finden. Sie fuhren längs
der Küste nach Süden und kamen wieder zu unvergeßlichen Eindrücken.
Reinhard wurde nach eigener Aussage zum ersten Mal bewußt, was es heißt,
"die Seele baumeln zu lassen und frei im Kopf zu werden". Die 3 fanden schließlich
einen geeigneten Standort und beschlossen, die UKW-Station aufzubauen, sobald
die Wetterverhältnisse dies zuließen.
Als sie nachmittags zum Haus zurückkehrten, wurden sie schon von uns,
die vom vielen Funkbetrieb recht ermattet waren, als Ablösung sehnsüchtig
erwartet. Wir konnten allerdings berichten, daß sich bereits mehrere einheimische
Funkamateure gemeldet hatten und eine Einladung zum Clubabend ausgesprochen
worden war. Claus-Dieter und ich räumten blitzartig die Sitzgelegenheiten
vor den Funkgeräten und drängten die anderen an die Stationen. Wir
waren wirklich ziemlich fertig. Die Funkbedingungen waren allerdings nicht mehr
ganz so gut wie am Vortag. Auf 20 m gab es zwar wieder einen Andrang ohnesgleichen,
auf 15 m und 40 m lief überhaupt nichts. Hinweise von europäischen
Funkamateuren, 10 m sei offen, wurde intensiv nachgegangen, aber das Band war
im hohen Norden absolut tot. Weit nach Mitternacht stellten wir den Funkbetrieb
ein, um uns für den nächsten Tag zu erholen.
Reinhard war als erster wieder fit, kochte Kaffee, deckte den Tisch und da
der Rest der Bande noch tief und fest schlief, schaltete er - einfach mal so
- das Funkgerät ein. Es gelang ihm tatsächlich, welch Wunder, ein
paar Klön-QSO’s abzuwickeln. Welch angenehme Erfahrung nach dem Pile-Up
des Vorabends. Aber dann, wer auch immer, der ihm Gutes tun wollte, hatte ihn
ins DX-Cluster eingegeben. Innerhalb kürzester Zeit, so schien es zumindest,
hatte sich die ganze Funkergemeinde auf der Frequenz versammelt. Nach 5 Stunden
und gut 600 Verbindungen, fiel Reinhard dann die gedeckte Frühstückstafel
wieder ein. Aber die war inzwischen abgeräumt und Kaffee gab es auch nicht
mehr.
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Reinhard behauptete steif und fest, daß die "gemeine
Bande", damit waren natürlich wir gemeint, heimlich (in ca. 3 m Entfernung!!!)
gefrühstückt hatte, während er harte Arbeit verrichten mußte.
Ha, ha, ha. |
Natürlich hatten wir gefrühstückt, aber Reinhard war einfach nicht
vom Funkgerät wegzubekommen. Michael und Philipp waren inzwischen irgendwo
auf der Insel unterwegs, wir anderen bauten gerade die Vertikalantenne für
160 m auf. Die Funkbedingungen waren gut; vom frühen Nachmittag an waren
15 m und 20 m Richtung Nord-Süd und nach Mittelamerika offen. 10 m öffnete
zeitweilig nach Südamerika und Osteuropa war mit lauten Signalen zu hören.
Am späten Abend folgten Öffnungen auf 40 m, 80 m und 160 m. Da auf letzterem
Band insbesondere der Andrang der Europäer gewaltig war, wurden diese vorrangig
bedient. Vergessen waren die schlechteren Bedingungen des Vortages. Jörg
stellte an diesem Abend einen Rekord nach dem anderen auf. Mehr als 6 QSO’s/Minute
waren keine Seltenheit.
Die Wetterverhältnisse waren bis zu diesem Zeitpunkt für den hohen
Norden äußerst stabil. Daher kündigten wir für den nächsten
Tag unsere Aktivität auf dem 2-m-Band an. Am späten Vormittag ging
es dann auch los. Portabelmast, 17-Ele-Antenne, PA, Aggregat und Tx wurden in
einen Kombi eingeladen und zum ausgesuchten Standort gefahren und aufgebaut.
Es gelang auch gleich eine Verbindung mit LA. Ansonsten hörten wir aber
nur Frequenzrauschen. Später sollten wir dann erfahren, daß unsere
CQ-Rufe sehr wohl gehört wurden. DL2VB und DK5DQ bestätigten uns,
daß wir hervorragende MS-Bursts produziert hatten, in denen unsere vollständigen
Calls aufzunehmen waren. Viele sehr gut ausgerüstete UKW-Stationen lagen
auf der Lauer, aber trotz intensiver Bemühungen kam kein weiterer Kontakt
zustande. Am späten Nachmittag wurde alles wieder abgebaut, alle waren
ziemlich durchgefroren, obwohl die Temperaturen bis auf über 10 ° C
gestiegen waren. Aber auf der Klippe pfiff ein eisiger Wind. Wir saßen
im Freien, etwa 150 m über dem Meer, kein Windschutz weit und breit, nichts,
was uns etwas Schutz und Wärme gab. Diesem Erlebnis ist wohl zuzuschreiben,
daß wir das Experiment nicht mehr wiederholten, obwohl uns die ganze UKW-Welt
darum bat. Am nächsten Morgen bauten wir die 17-Ele-Antenne hinter unserem
Haus auf; von nun an lief der Transceiver permanent durch. Wir reagierten auf
jede Veränderung des Rauschens mit einem Sprung ans Funkgerät, aber
außer ein paar Kontakten mit einheimischen Stationen kam nichts zustande.
In den nächsten Tagen versuchte Reinhard mehrfach eine MS-Verbindung zu
Nico, DK5DQ, aber alle Versuche blieben erfolglos. Auch eine Es-Öffnung,
auf die wir alle heimlich hofften, sollte sich während unseres gesamten
Aufenthalts nicht einstellen.
Aber es kam auch schon einmal zu kuriosen Situationen. Michael, DK6QW, hatte
gerade Mühe, die vielen Anrufe abzuarbeiten, als ein Anrufer aus DL fragte,
was denn hier für ein Contest laufe. Michael entgegnete: "Hier ist kein
Contest, sondern hier ist OY!" Daraufhin kam die lapidare Antwort: "Ach so,
dann macht mal schön weiter."
Das Wetter hatte sich nun kurzfristig rapide verschlechtert.
Wir erlebten, was wir vorher nur in den Prospekten hatten lesen können:
alle vier Jahreszeiten innerhalb weniger Stunden. Ungeachtet dessen setzten
wir unsere Funkaktivitäten fort. |
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Auf dem 20-m-Band waren die Bedingungen ganztägig innerhalb Europas sehr
gut, 40 m ging vor allem nach Südamerika des Nachts recht gut. Bedingt durch
die Jahreszeit (es wurde auch während der Nachtstunden nie ganz dunkel) und
die Nähe zum Polarkreis liefen 160 und 80 m größtenteils recht
schleppend. Insgesamt wurden jedoch alle KW-Bänder aktiviert, wobei vor allem
in den beiden letzten Tagen auch auf 10, 12 und 15 m hervorragende Bedingungen
herrschten. Auf UKW bekamen wir lediglich Verbindung mit LA und natürlich
in FM über den örtlichen Repeater innerhalb aller Inseln. In der zweiten
Woche legte in Torshavn die "Maxim Gorki" an und wir bekamen eine Verbindung mit
einem deutschen Besatzungsmitglied (DJ1EH).
Wegen der Hellhörigkeit des Hauses wurde des Nachts überwiegend in
Morsetelegrafie gearbeitet, damit die Schläfer nicht zu sehr gestört
wurden. Die hohe Sendeleistung führte dann schon mal dazu, daß die
Beleuchtung im CW-Takt flackerte.
Bis zu drei Station waren gleichzeitig ohne größere Beeinträchtigungen
in Betrieb, wobei als Betriebsarten SSB, CW, RTTY, MS und FM zur Anwendung kamen.
Durch den Dauerbetrieb wurden die Geräte natürlich mehr als nur handwarm,
so daß wir uns entschlossen, einen Ventilator bzw. Lüfter einzusetzen.
Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Bei einer der regelmäßigen
Einkaufsfahrten kamen wir auch an einen Radiofachgeschäft vorbei. DF8QJ
beschloß, dort nach dem so dringend benötigten Teil zu fragen. Claus-Dieter
kam und kam nicht wieder, so daß wir ihn schon fast auf die Verlustliste
setzen wollten. Schließlich erschien er freudestrahlend mit einem 220-V-Lüfter,
den der freundliche Verkäufer aus einem noch gebrauchsfähigen PC,
der nur z.Z. nicht genutzt wurde, ausgebaut hatte, nachdem sich Claus-Dieter
als Funkamateur zu erkennen gab. Dieses Geschäft handelte nämlich
auch mit Schiffsfunkgeräten. Eine Hand wäscht eben doch die andere!!
Was vorher keiner von uns für möglich gehalten hatte, war inzwischen
trotz unserer vielfältigen Aktivitäten eingetreten: die QSO-Anzahl
war inzwischen auf über 5000 angestiegen und die Pile-Ups nahmen kein Ende,
wann immer wir uns auf den Bändern meldeten. Alle Kontinente waren gelogt
und viele Highlights, von denen wir in DL nicht einmal geträumt hatten,
reihten sich wie an einer Perlenschnur gezogen in den Logbüchern aneinander.
In den 10 Tagen des Aufenthalts auf den Faeroer-Inseln wickelten wir insgesamt
10403 QSO’s ab, davon 9383 in SSB, 903 in CW, 115 in RTTY und 2 in FM. Sie verteilten
sich wie folgt auf die einzelnen Bänder:
Band |
Anzahl QSO's |
160 m |
61 |
80 m |
232 |
40 m |
1751 |
30 m |
151 |
20 m |
7125 |
17 m |
119 |
15 m |
473 |
12 m |
117 |
10 m |
370 |
2 m |
4 |
Alle Logbücher wurden von Hand geschrieben, da wir nicht genügend Laptops
hatten und Probleme hinsichtlich der Einstrahlfestigkeit befürchteten. Im
übrigen ist hier anzumerken, daß trotz hoher Leistung bei den Nachbarn
(das nächste Haus war ca. 40 m entfernt) weder TVI noch BCI auftrat; zumindest
gab es keine Beschwerden.
In den ersten Tagen auf den Faeroer-Inseln war das Wetter recht gut, es war
angenehm warm und auch die Sonne ließ sich häufig sehen. Da es die
Zeit kurz vor der Sommersonnenwende war, wurde es nie richtig dunkel. Erst gegen
01.00 Uhr wurde es etwas dämmerig und etwa 2 Stunden später war es
dann wieder taghell. Wir verloren dadurch fast jedes Zeitgefühl und wunderten
uns oftmals, daß wir tagsüber extrem erschöpft waren, um dafür
in den Nächten vor Energie nur so strotzten.
In den letzten Tagen des Aufenthaltes zog ein schwerer Sturm auf, der uns veranlaßte,
die UKW-Antenne vorzeitig abzubauen und die Abspannung des KW-Beams erheblich
zu verstärken. Dennoch bestimmte nun der Sturm die Senderichtung. Trotz
heftiger Orkanböen, von denen eine Philipp umwarf, hielten alle Antennenkonstruktionen.
Die Vertikalantenne für 20 m vollführte "Beugungsübungen", überstand
jedoch alles, ohne Schaden zu nehmen. Wir erfuhren hautnah, was Sturm und Regen
auf den Faeroer bedeuten. Gott sei Dank hatten wir die Warnungen, die wir im
Vorfeld erhielten, nicht in den Wind geschlagen und den Aufbau der Antennen
gewissenhaft und mit großer Sorgfalt durchgeführt. Andernfalls käme
wohl nunmehr das Kapitel: "Vom Winde verweht!"
Hier ist es auch wohl an der Zeit, etwas zur Pile-Up-Moral zu sagen. Keinesfalls
kann ich pauschal den Europäern Ellenbogentaktik und Rücksichtslosigkeit
vorwerfen. Ganz im Gegenteil, viele gute Erfahrungen werden wieder wach. Da
gab es starke Stationen, die uns anriefen, um uns auf einen "seltenen Vogel"
im Gebrodel hinzuweisen; kurz und knapp, um uns in den Vorteil zu bringen, auch
mit diesem Funkamateur zu sprechen. Da gab es Stationen, die uns auf den Ruf
unseres QSL-Managers DK4QO aufmerksam machten, den wir im Pile-Up nicht gehört
hatten. Stets war auch Ruhe auf der Frequenz, wenn wir Grüße oder
Neuigkeiten von den Daheimgebliebenen übermittelt bekamen. Manchmal war
das schon fast unheimlich, zuerst ein riesiges Pile-Up, nach gezieltem Rufen
absolute Ruhe auf der Frequenz. Natürlich gab es auch das Gegenteil. Es
scheint Leute zu geben, die eine 7 nicht von einer 4 unterscheiden können
(oder wollen) oder solche, die ihre Endstufen auf 150 % trimmen oder solche,
die ihr Rufzeichen gleich dutzendfach ohne Pause hinausschreien oder im dicksten
Getümmel um QSY bitten, ohne zu wissen, daß unsere zweite oder dritte
Station bereits auf dem gewünschten Band arbeitet. Aber diese Ausfallerscheinungen
waren doch recht selten. Als Fazit kann man sagen: "Ihr alle habt Euch großartig
verhalten, wann immer wir die Bühne betraten. Ihr wart großartig,
Ihr wart diejenigen, die uns diesen Auftritt erst ermöglichten."
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